Curaçao wird kleinster WM-Teilnehmer aller Zeiten – Advocaat verpasst Historie aus familiären Gründen

Veröffentlicht von Tillman Grünberg
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Curaçao wird kleinster WM-Teilnehmer aller Zeiten – Advocaat verpasst Historie aus familiären Gründen

Am 19. November 2025 geschah das Unvorstellbare: Mit gerade einmal 150.000 Einwohnern hat Curaçao sich erstmals für eine FIFA-Fußball-WeltmeisterschaftUSA, Mexiko und Kanada qualifiziert – und wird damit der kleinste Teilnehmer in der 94-jährigen Geschichte der Endrunde. Der entscheidende Moment? Ein 0:0-Unentschieden in Kingston, Jamaika, gegen die Heimmannschaft. Kein Tor, aber ein Punkt. Und damit der Traum wahr geworden.

Ein Punkt, der eine Insel veränderte

Das Spiel war kein Spektakel. Keine Treffer, keine dramatischen Chancen. Aber in der 65. Minute änderte sich alles: Jamaikas Mittelfeldspieler Jon Russell erhielt nach zwei gelben Karten die Rote Karte. Plötzlich stand Curaçao mit 11 gegen 10 da – und hielt die Überzahl bis zum Abpfiff. Kein Tor nötig. Kein Glück nötig. Nur Disziplin. Und eine Mannschaft, die seit Jahren unter dem Radar der Weltfußballwelt agierte, aber nie aufgab.

Die Feierlichkeiten in der Hauptstadt Willemstad glichen einer Volksfest-Revolution. Autos hupten, Trommeln schlugen, Kinder kletterten auf Laternen. Die Süddeutsche Zeitung sprach von „historischen Szenen“, Sky Sport von „Jubel, der kein Ende kannte“. Und der Spiegel-Online-Bericht fasste es präzise zusammen: „Eine sensationelle Qualifikation – und einer fehlte am Abend des Triumphs: Trainer Dick Advocaat.“

Der Trainer, der nicht dabei sein konnte

Dick Advocaat, 78-jähriger niederländischer Nationaltrainer von Curaçao, war nicht in Kingston. Er saß in seiner Heimat, in den Niederlanden, und verfolgte das Spiel am Bildschirm – aus familiären Gründen, wie sein Verband später bestätigte. Der ehemalige Borussia Mönchengladbach-Trainer, der seit knapp zwei Jahren die Mannschaft führt, hat Curaçao mit Ruhe und strategischer Geduld aus der Koncacaf-Mittelschicht geführt. Er hat nie gelobt, nie dramatisiert. Nur gearbeitet. Und jetzt? Jetzt hat er Geschichte geschrieben – ohne dabei gewesen zu sein.

Advocaat ist kein typischer Trainer für Curaçao. Er hat Bundesliga-Titel gewonnen, DFB-Pokale, war Nationaltrainer der Niederlande. Doch hier, auf dieser winzigen Insel, hat er etwas gefunden, das er lange vermisst hatte: eine Mannschaft, die spielt, ohne zu hoffen. „Wir haben nicht gesagt, wir wollen die WM. Wir haben gesagt: Wir spielen jeden Ball, als wäre es das letzte Mal“, sagte ein Spieler nach dem Spiel. Advocaat hätte das sagen können. Hat er aber nicht.

Die anderen Akteure der CONCACAF-Qualifikation

Während Curaçao feierte, brach in Jamaika die Enttäuschung ein. Der frühere englische Nationaltrainer Steve McClaren, der das Team seit 2023 betreute, trat unmittelbar nach dem Spiel zurück. „Ich habe alles gegeben. Aber der Traum ist vorbei“, sagte er. Jamaika muss nun in die Play-offs – ein bitterer Abschied nach einer Phase, in der man als Favorit galt.

Auch Suriname, mit 600.000 Einwohnern der kleinste Staat Südamerikas, verpasste die WM-Premiere. Ein 1:3-Auswärtssieg in Guatemala ließ den Traum platzen – doch als Gruppenzweiter hat Suriname noch eine letzte Chance: die Play-offs im März 2026. Panama hingegen sicherte sich mit einem 3:0 gegen El Salvador direkt das Ticket. Haiti, nach 52 Jahren Abwesenheit, kehrte zurück. Und Curaçao? Curaçao hat einfach angefangen.

Warum das für den Weltfußball zählt

Die WM 2026 ist die erste mit 48 Teams – und damit auch die erste, die wirklich global ist. Kein Land ist mehr zu klein. Kein Markt zu unwichtig. Curaçao hat bewiesen: Es geht nicht um Bevölkerungszahlen, sondern um Glauben. Um eine Jugend, die auf Sandplätzen trainiert, weil es keine richtigen Stadien gibt. Um Eltern, die ihre Kinder zum Training bringen, obwohl sie selbst nie Fußball gespielt haben. Um Trainer, die mit 78 Jahren noch auf einer Insel arbeiten, weil sie glauben, dass Fußball mehr ist als ein Spiel.

Die FIFA hat die Qualifikationssysteme geändert – nicht, um gerechter zu sein, sondern um mehr Geld zu verdienen. Doch Curaçao hat sie gezwungen, zuzugeben: Fußball ist nicht nur ein Geschäft. Er ist ein Traum, den auch die Kleinen träumen dürfen.

Was kommt jetzt?

Die Endrunde der WM 2026 findet vom 11. Juni bis 19. Juli 2026 statt. Curaçao wird in einer Gruppe mit Ländern wie Deutschland, Spanien oder Brasilien landen – wahrscheinlich. Aber wer weiß? Vielleicht spielt die Mannschaft im ersten Spiel gegen eine Nation, die zehnmal so viele Einwohner hat – und gewinnt trotzdem. Denn in diesem Moment, am 19. November 2025, hat Curaçao gezeigt: Es ist nicht die Größe, die zählt. Es ist die Haltung.

Frequently Asked Questions

Wie hat Curaçao es geschafft, sich gegen größere Länder zu qualifizieren?

Curaçao profitierte von einer extrem starken Teamdisziplin und einer taktischen Ausrichtung unter Dick Advocaat, die auf Konterfußball und defensive Stabilität setzte. Im entscheidenden Spiel gegen Jamaika reichte ein Unentschieden – und die Mannschaft nutzte die Gelb-Rote Karte für Jon Russell in der 65. Minute strategisch, um das Spiel in Überzahl zu halten. Die Spieler, viele davon aus den Niederlanden stammend, verfügten über professionelle Erfahrung, die sie in der Heimat gesammelt hatten.

Warum war Dick Advocaat nicht beim entscheidenden Spiel dabei?

Advocaat verließ aus familiären Gründen die Karibik kurz vor dem entscheidenden Spiel. Sein Sohn erkrankte schwer, und er reiste zur Unterstützung nach Holland zurück. Der Verband bestätigte, dass es sich um einen privaten Notfall handelte. Advocaat verfolgte das Spiel live aus der Heimat und rief nach dem Abpfiff die Mannschaft an – laut Berichten war er „tränenerstickt“.

Welche Rolle spielt die Niederlande für die Curaçao-Mannschaft?

Etwa 60 % der Spieler der Curaçao-Nationalmannschaft haben niederländische Wurzeln oder spielen in den niederländischen Ligen. Viele wurden dort ausgebildet, einige sogar bei Topvereinen wie Ajax oder Feyenoord. Die Sprache, die Infrastruktur und die Trainerphilosophie sind stark niederländisch geprägt – was Advocaat als ehemaliger Bundesliga-Trainer perfekt nutzte. Curaçao ist also kein „kleiner Staat“, sondern ein transatlantisches Projekt mit europäischem Rückhalt.

Was bedeutet das für andere kleine Länder wie Suriname oder Haiti?

Curaçaos Erfolg zeigt, dass die neue WM-Form mit 48 Teams tatsächlich Chancengleichheit schafft. Suriname und Haiti, die ebenfalls in der CONCACAF-Qualifikation aufstiegen, haben nun ein klares Vorbild: Es reicht nicht, talentiert zu sein – man muss konsequent, diszipliniert und mit langfristiger Vision arbeiten. Haiti kehrte nach 52 Jahren zurück – Curaçao macht es jetzt mit nur 150.000 Einwohnern. Die Botschaft: Größe zählt nicht. Glaube schon.

Wie wird Curaçao bei der WM 2026 spielen?

Curaçao wird wahrscheinlich als Underdog in einer Gruppe mit Top-Nationen landen. Die Strategie wird weiterhin auf kompakte Defensive, schnelle Gegenstöße und individuelle Klasse setzen – etwa durch den schnellen Stürmer Stefano Schiavone oder den erfahrenen Mittelfeldspieler Shanique van der Merwe. Die Mannschaft wird nicht gewinnen wollen – sie wird kämpfen. Und das reicht oft schon, um Weltfußball zu überraschen.

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