Veröffentlicht von Tillman Grünberg
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Am 19. September 2025 brachen drei russische MiG‑31 "Foxhound" ohne Genehmigung in den estnischen Luftraum ein. Sie flogen zwölf Minuten über der winzigen Insel Vaindloo im Finnischen Meerbusen, schalteten ihre Transponder aus und hielten keinen Funkkontakt. Dieses Vorgehen verstößt eindeutig gegen alle internationalen Luftverkehrsregeln und wirkte wie eine klare Provokation.
Unmittelbar nach dem Alarm aktivierte die NATO ihre NATO-Baltic Air Policing‑Aufgabe. Italienische F‑35 Lightning II der Task Force Air – 32nd Wing, die seit August 2025 auf dem estnischen Luftwaffenstützpunkt Ämari stationiert sind, starteten zur Quick‑Reaction‑Alert‑Mission. Die Jets nahmen die russischen MiG‑31 auf und begleiteten sie bis aus estnischem Luftraum.
Der Vorfall ist nicht isoliert. Im Mai desselben Jahres hatte ein russischer Su‑35 das estnische Küstengebiet überflogen, um ein Frachtschiff der sogenannten Schattenflotte "Jaguar" zu schützen, das von estnischen Marineeinheiten inspiziert wurde. Diese Schiffe dienen Moskau dazu, Öl‑ und Gasexporte trotz westlicher Sanktionen fortzusetzen.
Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur bestätigte, dass das Land bereit ist, weitere F‑35-Luftfahrzeuge im Rahmen der NATO‑Mission zu beherbergen. Obwohl keine nuklearen Aufgaben geplant sind, bezeichnete Kreml‑Sprecher Dmitry Peskov diese Stationierung bereits als "unmittelbare Bedrohung".
Die baltischen Nachbarstaaten reagierten scharf. Der litauische Premierminister Gintautas Paluckas warnte, dass jede weitere Luftverletzung das Risiko einer ernsten Eskalation erhöht. Auf EU‑Ebene wurden zusätzliche Sanktionen gegen Russlands Schattenflotte beschlossen, die nicht nur die Schiffe, sondern auch ihre Finanzierungsnetzwerke treffen.
Estlands Außenminister Margus Tsahkna betonte bei einem NATO‑Treffen, dass die direkte militärische Unterstützung von Schattenflotte‑Schiffen durch Russland "etwas völlig Neues" sei. Seit Beginn des Jahres wurden mehrere Angriffe auf Unterseekabel und andere strategische Einrichtungen im Ostseeraum gemeldet, die nachweislich von russisch unterstützten Akteuren ausgingen.
Italien hat die Verantwortung für die Luftpolizei von Portugal übernommen und führt nun zum vierten Mal Rotationsflüge im Baltikum durch – diesmal mit modernen F‑35. Die drei baltischen Staaten besitzen selbst keine Kampfflugzeuge und sind auf diese rotierenden NATO‑Einheiten angewiesen.
Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die strategische Verwundbarkeit des Baltikums: Mit 183 Meilen Gemeinsamer Grenze zu Russland, insbesondere in der Nähe von Narva, bleibt Estland im Schussbereich russischer Artillerie. Während die NATO‑Artikel‑5‑Verpflichtung theoretisch einen Kollektivschutz garantiert, testet jede neue Provokation die praktische Umsetzbarkeit dieses Versprechens.
Selbst außerhalb der militärischen Ebene wird die Lage diskutiert. Der ehemalige US‑Präsident Donald Trump erklärte kürzlich bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Zelenskyj, dass Moskaus territoriale Ambitionen über die Ukraine hinausgehen. Solche Aussagen befeuern die Debatte darüber, wie weit westliche Verbündete bereit sind, ihre Abschreckungsmaßnahmen zu intensivieren.